Klaus Pichler im Interview

Klaus Pichler ist vieles, aber nicht langweilig und ohne Hobbies: Schimmelzüchter, Schrebergartenaufmischer mit geringem Kriminalitätspotential, Kanalisationsdurchforster, hinter die Kulissen-Schauer und Indienreisender, um nur einen kleinen Querschnitt zu nennen, denn da gibt es mehr. Bei all diesen Projekten ist er immer mit seiner Kamera bewaffnet (und das als ehemaliger Zivi) und wer sich so über meine Interviewfragen freut, hat sowieso einen Stein bei mir im Brett. In diesem Sinne, genießt die Frage und Antwort Stunde mit dem sympathischen Fotografen aus Wien:

Klaus Pichler: Solche Interviews bekomme ich nicht alle Tage, super! Und ich lege gleich los, ok? Und der Abschluss gleich auch noch oben. Passt dir das so?
Alexander Goder: Na Sicher!
Es war mir ein Volksfest, deine Fragen zu beantworten! Danke!

Hi Klaus erzähl doch für alle die Dich noch nicht kennen, was nach den ganzen Features auf sovielen Blogs so gut wie unmöglich sein dürfte, in einem kurzen (Ab-)Satz etwas über Dich und Dein Leben mit der Fotografie.
Ok, ich versuche es: ich bin sozusagen ein Spätberufener, da ich nicht den klassischen fotografischen Ausbildungsweg gegangen bin, sondern ursprünglich Landschaftsplanung studiert habe. Irgendwann habe ich die Fotografie für mich entdeckt und ab da war dann relativ schnell klar, dass das meine Hauptbeschäftigung werden sollte, und nach dem Studienabschluss habe ich es riskiert. Und seit 2006 pendle ich zwischen Auftragsarbeiten und freien künstlerischen Projekten hin und her. Mir macht der Wechsel Spass, weil ich ständig umdenken muss und sich die beiden Arbeitsweisen gegenseitig positiv beeinflussen. In meinem Leben dreht sich (fast) alles um die Fotografie, wobei ich es auch immer wichtig finde, sich mit anderen Sachen zu beschäftigen, weil daraus (zumindest bei mir) Inspiration entsteht. Leute, die mit Kameras umgehen können, gibt es viele; Leute, die eigenständige Ideen entwickeln, schon viel weniger.

Dein letztes Fotoset das durch die Blogs ging ist die Serie rund um unser Essen. Du inszenierst einzelne Lebensmittel, die verrottet sind in typischer Werbeästhetik. In einem Interview für fm4 hast Du dazu ja schon viel erzählt. Erzähl uns etwas über dieses Projekt was unbedingt (vielleicht auch noch mal, oder aber erst jetzt) gesagt werden muss!
Hm, das ist schwierig, weil mir gerade bei dieser Serie wichtig war, sehr viel an Hintergrundinfos bereitzustellen, damit man nicht auf der Oberfläche des Ganzen – den verschimmelten Nahrungsmitteln – hängen bleibt, sondern sich mit den Hintergründen, eben der globalen Nahrungsmittelverschwendung, beschäftigt. Deswegen auch das 9-seitige Project Statement und das Datenblatt zu jedem einzelnen Bild. Das sind ja alles Bilder, die ich aus einer bestimmten Absicht heraus, mit einem bestimmten Grundgedanken gemacht habe, und diese Absicht musste einfach erklärt werden. Bei der medialen Rezeption der Serie bisher freut mich besonders, dass in so gut wie jeder Erwähnung der Fotoserie die Nahrungsmittelverschwendung auch thematisiert wird – und das ist mir wirklich wichtig, denn die Tatsache, dass ein Drittel der Lebensmittel weltweit auf dem Müll landet, ist schockierend und es besteht dringender Handlungsbedarf.

FRUIT CAKE (DEEP FROZEN) © Klaus Pichler

Place of production: Osnabrueck, Germany
Production method: Factory production * Time of production: All- season
Transporting distance: 1.003 km * Means of transportation: Refridgerated Truck
Carbon footprint (transport) per kg: 1,09 kg * Water requirement (total) per kg: unknown
Price: 10,40 € / kg

Hat sich Dein Konsum verändert, wie z.B. dem Griff zu Bio oder mehr lokalen Produkten? Baust Du selbst an? Oder kaufst Du nur weniger?
Für mich war es schon immer wichtig, ‚bewusst‘ zu essen und mich zu interessieren, wo und wie meine Einkäufe produziert werden. Da ich seit langem fleischlos lebe, war und ist es mir auch wichtig, mich ausgewogen zu ernähren. Das war also schon seit langem Thema. Die die Arbeit und vor allem die Recherche rund um ‚One Third‘ hat sich das Interesse weiter vertieft und ich bin noch ein wenig genauer geworden, wenn ich einkaufe. Selbst anbauen schaffe ich als Städter leider aus Zeitgründen nicht, vielleicht geht es sich in den kommenden Jahren ja mal aus – das wäre für mich wirklich wünschenswert.

Wir haben uns im letzten Jahr mal den Ernährungsdoku Flash gegeben und 5 Dokumentationen über unser Essen in kurzer Zeit geschaut. Danach stellt man sich die Frage: Warum essen wir eigentlich Dinge, bei denen klar ist: Wenn ich wüsste wie das produziert wird, dürfte ich es nicht essen. Du hast Dich jetzt soviel mit Essen beschäftig, warum glaubst Du das es den meisten so egal ist wo ihr Essen her kommt, und wo es hingeht?
Das frage ich mich auch oft, ich denke, es ist eine Mischung aus Bequemlichkeit, Verweigerungshaltung, Geiz und Gier, die uns allen Entscheidungen aufzwingt, die weder vernünftig noch nachhaltig sind. Anders kann ich es mir nicht erklären. Generell meine ich, dass das jeder für sich selbst entscheiden muss, wie er sich ernährt und zu welchen Produkten er greift – ich will da niemanden zu etwas zwingen. Was ich mir wünschen würde, ist ein Bewusstsein, oder, noch einfacher, eine gewisse Wertschätzung der Nahrung gegenüber. Damit wären bestimmte Produkte oder Lebensweisen von vornherein nicht vereinbar und die Konsumgewohnheiten würden sich verbessern. Aber ich glaube, gerade derzeit ist das Grundgefühl, dass bei der Nahrungsmittelproduktion und den jeweils eigenen Ernährungsgewohnheiten etwas falsch läuft, so stark wie nie und viele Menschen haben für sich bereits beschlossen, etwas anders zu machen. Das merke ich auch in den Kommentaren, wenn die Serie irgendwo verlinkt wird: da ist ein schlechtes Gewissen spürbar, das in weiterer Folge dann hoffentlich zu Veränderungen führen wird. Als einzelner ist die Veränderung der Konsumgewohnheiten vor allem für einen selber gut, wenn aber genügend Leute etwas bei sich ändern, dann wird das aber sehr schnell ein Faktor, der die Produktionsweisen und dadurch das Angebot bestimmt. Unterm Strich sehe ich jedenfalls viele gute Ansätze und unterstützenswerte Initiativen, die derzeit auftauchen.

Warum magst Du es Autodidakt zu sein und sagst es ist gut, dass Du keine fotografische Ausbildung genossen hast?
Ich denke, ich bin grundsätzlich eher ein Typ, der sich nichts zeigen lassen will, sondern sich lieber alles selber beibringt. Ausserdem hat mich die selbständige und damit weitgehend unbeeinflusste Beschäftigung zu einer ganz eigenen Herangehensweise an die Fotografie und damit auch zu einer speziellen Sicht auf die Dinge gebracht. Da kann ich jetzt wirklich aus dem Vollen schöpfen und mich darauf verlassen, dass ich immer wieder Ideen für neue Serien haben werde. Andererseits: ich weiss nicht, ob ich mich, wenn ich jetzt noch am Anfang wäre, wieder für den autodidaktischen Weg entscheiden würde, denn der war schon hart und um einiges länger, als wenn ich mich ausbilden hätte lassen. Vor allem, wenn man den Einfluss von wirklich gutem und engagiertem Lehrpersonal geniessen darf, dann kann eine Ausbildung schon Gold wert sein. Für mich selber ist es so, wie es gelaufen ist, sehr passend, aber ich glaube, das hängt generell eher mit Persönlichkeitsstruktur und grundsätzlichem Zugang zusammen, ob man mehr der Typ ist, der beigebracht bekommen will, oder eher der Individualist.

Projektfotograf ist glaube ich keine schlechte Beschreibung für Deine Vorgehensweise (auch wenn Du immer wieder kommerzielle Arbeiten machst), und jedes dieser Projekte hat einen persönlichen Bezug. Spannend ist dabei, dass Du immer wiederkehrende Elemente hast, was zu folgenden Fragen führt:

1. Respekt. Egal ob Knasttattoo, verstaubtes Museum, oder vergammeltes Essen, wie schaffst Du es immer die nötige Distanz zu wahren, aber trotzdem die Nähe zu entwickeln?
Erstmal Danke, dass du das so schön zusammengefasst und ausformuliert hast! Das versuche ich schon seit langem, es will mir wegen der zu großen Nähe aber nie recht gelingen. Deshalb: Danke!
Zu deiner Frage: das sind alles Dinge, die mich in irgendeiner Weise persönlich betreffen, ob sich mich jetzt einfach nur interessieren, betroffen machen, oder auch, ob ich selber den Drang habe, mehr darüber erfahren zu wollen. Was mich nicht interessiert, das fotografiere ich auch nicht (zumindest bei den freien Arbeiten), und umgekehrt: wenn ich mich mal für ein Thema entschieden habe, dann mag ich nicht ’nur‘ Fotos dazu machen, sondern mich in der zeit intensiv mit dem Thema beschäftigen – alles lesen, was ich dazu in die Finger kriege, Kontakt mit passenden Fachleuten aufnehmen, etc. Für mich ist es nicht nur Ziel, am Schluss eine Serie von Bildern von irgend etwas zu haben, sondern auch, mich in der Zeit zu einem ‚Experten‘ zu bilden und wirklich viel über das Thema zu wissen. Insgesamt ists eine Mischung aus Erkenntnisinteresse und der Freude daran, Bilder zu machen.
Die Distanz kommt dann ganz bewusst, weil ich es auch wichtig finde, ein Thema zu abstrahieren und so zu verallgemeinern, dass der erste Einstieg ins Thema möglichst vielen Leuten möglich ist. Von dort weg geht es dann in die Tiefe, weil die Arbeiten mit Metaebenen aufgeladen sind (z.B. die Verwendung von Elementen der Tischkultur als Verweis auf eine nahrungsmittelzentrierte Kulturindustrie bei ‚One Third‘), die man entschlüsseln kann, aber nicht zwingend muss. Die pure Lust am Bild und die Lust am Inhalt sollte bei meinen Bildern im Idealzustand zu gleichen Anteilen spürbar sein.

2. Soziologie. Das Kleinbürgertum scheint immer der Ursprung für Dein Schaffen zu sein: seine Ideale(Schreibergärten), die Angst vor dem Unbekannten (Tätowierungen), der Ausflug am Wochenende (Idyls), die Leichen im Keller (Museen), und zuletzt dass verschwendete Essen. Ist das eigentlich ein versteckter Zeigefinger, oder so eine Art verspätete Emanzipation und Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit?
Ich denke, am ehesten Letzteres, wobei ich zwar aus einer ländlichen Kleinbürgersiedlung stamme, meine Eltern der ganzen Mittelschichtsidylle aber immer skeptisch gegenübergestanden sind und mich zu einem kritischen Menschen erzogen haben. Da ich selber nie wirklich ein Teil davon war, war auch keine Emanziopation davon nötig. Aber es ist ganz sicher ein Abarbeiten an menschlichem Verhalten, an den individuellen Ausprägungen von Lebensalltag, der je nach Umständen und gesellschaftlicher Wertigkeit und Verankerung sehr unterschiedlich ist. Dabei kommt dann auch eine historische Dimension dazu, denn Lebenswelten und Werthaltungen verändern sich über die Zeit. Ich finde soziale Gruppen mit gleichen Grundhaltungen und Verhaltenskodizes einfach enorm spannend, es ist immer eine Mischung aus Anziehung und Abstoßung, die mich bei der Auseinandersetzung damit antreibt.

3. Inszenierung. Ist Fotografie für Dich Meditation, oder Dialog?
Immer Dialog. Aber nicht nur Fotografie, jede künstlerische Äußerung ist immer Dialog, oder zumindest der Versuch, einen solchen anzustoßen. Zu einem Teil ist es natürlich auch Meditation, weil die Erschaffung eines künstlerischen Konzepts eine sehr selbstreflexive Sache ist, aber letztlich geht es um die Kommunikation einer Idee, eines Gefühls usw. Ich fasse es mal so zusammen: bis ich ein Projekt zu realisieren beginne, ist es Meditation, die Umsetzung und Präsentation passiert dann aber immer mit dem Vorgriff auf den dadurch erwünschten Dialog.

Skeletons in the closet © Klaus Pichler

Wie sieht Dein Workflow aus, privat Analog, geschäftlich Digital. Was passiert vor der Aufnahme, was bei der Aufnahme und was machst Du mit den Aufnahmen in der Nachbearbeitung?
Ganz genau kann ich das nicht trennen, es gibt sowohl Aufträge, die ich analog fotografiert habe, wie auch freie Arbeiten, die rein digital entstanden sind. Und letztlich wird ja ohnehin alles gescannt, also ist die Frage eigentlich obsolet. Vor der Aufnahme (wenn man es jetzt als Serie fasst) passiert die ganze Denkarbeit und Konzeptfindung, also der theoretische Teil, sodass die Aufnahme selber dann oft gar nicht mehr so spektakulär ist, weil ich eben genau weiss, wies dann aussehen soll. Fotografieren können heisst für mich ja immer, den Zufall auszuschalten (wobei es dann natürlich auch passiert, dass etwas Zufälliges passiert, was das Bild dann oft noch besser macht). Die Nachbearbeitung ist für mich dann so wie ‚Wohnungsputz‘, d.h. ich greife in die Grundstruktur des Bildes nicht ein, sondern arbeite an Details, die die Bildaussage stören könnten. Im großen und ganzen bearbeite ich zwar sehr lange nach, es sind letztlich aber nur Kleinigkeiten, die dabei korrigiert werden.

Wie wichtig sind dir Metaebenen in Deinen Fotos? Z.B. Die Aufnahmen der Schrebergärten sind, wenn ich das recht gesehen habe, ja zum Teil Nachtaufnahmen die wie Tage aussehen und durch die neue Farbigkeit ein surreales Gefühl vermitteln.
Metaebenen sind für mich enorm wichtig, je mehr, desto besser! Das ist ja eine tolle Sache, wenn man vor Bildern steht oder sitzt und plötzlich versteht man das Bild auf einer ganz anderen Ebene. Ich bewundere KünstlerInnen, die das Spiel mit Metaebenen perfektioniert haben, enorm. Wenn ich jetzt mal einen sehr populären Vergleich ziehen darf: wenn man sich z.B. die Filme von Tarantion ansieht, dann bleibt bei unbedarftem Ansehen eine gute Handlung. Wenn man sich aber, so wie er, mit B-Movies, Comics, Trashkultur und Undergroundzeugs beschäftigt, dann rattern die Assoziationsketten nur so. Wenn man das jetzt auf Fotografie umlegt, dann meine ich es so: auf den ersten Blick ists ein tolles Bild, und auf den zweiten Blick ist es eine eigene gedankliche Welt, die man betreten kann (aber natürlich nicht muss, wenn man nicht will oder kann). Die besten Bilder und Serien sind für mich diejenigen, die sich mit einem konkreten Thema beschäftigen, aber letztlich mehr Fragen auswerfen, als sie beantworten können.

Du bloggst selbst seit 2009 mehr oder minder regelmäßig, welchen Stellenwert hat Dein Blog für Dich, welchen Dein Portfolio? Du trennst das ja irgendwie ganz klar und verlinkst das Blog auch nicht von Deinem Portfolio.
Ganz einfach gesagt: das Blog ist für Jobs oder freie Sachen, die ich zwar gut und wichtig finde, aber nicht so relevant, dass sie, so wie die Sachen auf der Website, mein ultimatives Portfolio sind. Auf die Website kommen nur Bilder, hinter denen ich zu 100% stehe, der Blog ist eher informell, ebenso meine Bilder auf Tumblr. Der Unterschied zwischen Tumblr und Blog ist einfach, dass auf Tumblr Einzelbilder stehen, während auf dem Blog zusammenhängende Strecken präsentiert werden. Alles zusammen macht mir Spass, wobei natürlich mein Hauptaugenmerk der Website gehört.

Viele Fotografen haben in der ganzen Debatte rund um Verwertung von eigenen Bildern Ihre eigene Position und reagieren ganz unterschiedlich. Egal ob die Angst das jetzt jeder eine Kamera hat und Fotos macht, oder das jemand die Bilder im Internet stiehlt. Bei ein paar Milliarden Fotos im Netz, wie sieht Du die Zukunft für Fotografen?
Natürlich freut es mich, wenn über die Agentur Geld für die Verwertung meiner Bilder hereinkommt, aber das ist für mich bei den freien Arbeiten nicht der Antrieb, sie zu machen. Dass das Internet frei ist halte ich für eine sehr wichtige Errungenschaft, und die muss auch geschützt werden. Wenn jemand die Bilder digital weiterverbreitet, dann ist das immer auch Werbung für mich, denn in 99% der Fälle sind die Bilder mit einem Link versehen. Ich bin zwar kein glühender Befürworter der ‚Gratiskultur‘ im Netz, weil ich glaube, dass durch die ständige Verfügbarkeit von allem die Wertschätzung generell sinkt, aber in Summe ist es okay für mich.
Die Zukunft für FotografInnen sehe ich, entgegen vielen anderen Meinungen, eher positiv, da Fotografie beliebter ist als je zuvor und deshalb auch die Gesellschaft immer bildlastiger wird. Und dadurch wissen viel mehr Menschen, was es braucht, um ein ‚wirklich gutes‘ Bild zu machen – weil sie es eben selber nicht schaffen, ob aus Ausrüstungsgründen oder mangelndem Talent. Deswegen werden auch diese Leute auf Profis zurückgreifen. Und durch die Bilderflut wird es zwar schwieriger werden, gehört und gesehen zu werden und aus der Masse herauszustechen, insgesamt wird das aber die Qualität heben. Ich sehe die Entwicklung also eher optimistisch und glaube, dass wir derzeit noch gar nicht abschätzen können, was da an unglaublich tollen technischen Neuerungen und Innovationen auf uns zukommen wird. Ich freue mich jedenfalls darauf!

Wenn Du einem Anfänger einen Tipp geben kannst, der seine Fotos sofort verbessern würde, welcher ist das? Egal ob Technik, Bildbearbeitung oder Psychologie/Soziologie.
Das Gehirn einschalten, haha! So blöd das klingt, aber ich glaube, den meisten Leuten mangelts nicht an technischen Skills, sondern daran, dass sie sich zu wenig Gedanken machen, was sie mit ihren Bildern eigentlich aussagen möchten. Ein Bild machen, das kann jeder, ein Bild aber so zu machen, dass dadurch eine Idee oder Absicht transportiert wird, das ist schon schwieriger. Und da fängt es für mich erst an, spannend zu werden. Also: zuerst denken, dann fotografieren! Wirkt Wunder!

In diesem Interview sagst Du Land Art hat Dich inspiriert. Wen würdest Du lieber porträtieren: Andrew Goldsworthy oder Richard Long? Und wie?
Hui, schwierige Frage! Ich glaube, inhaltlich würde ich Richard Long bevorzugen, pragmatisch wahrscheinlich eher Andrew Goldsworthy, weil seine Kunstwerke kleinteiliger sind und deswegen besser fotografierbar. Inhaltlich, also auf konzeptueller Ebene, finde ich Richard Long spannender, weil aus seinen Kunstwerken die damalige Verweigerungshaltung gegen die Galerienkunst spürbar wird. Deswegen auch die Gigantomanie, damit die Kunstwerke eben niemals in physischer Form in die Galerie können, bestenfalls als Abbildungen. Bei Goldsworthy ist die abschliessende Fotografie schon sehr in den Kunstwerken immanent, d.h. die Inszenierung richtet sich oft nach fotografischen Gegebenheiten. Auch spannend, aber nicht so radikal wie Long.
Wie ich beide fotografieren würde? Long wahrscheinlich in einer Weise, in der er in der Größe seiner Kunstwerke fast verschwindet, und Goldsworthy wahrscheinlich ganz lustig-böse wie ein Babybild von Anne Geddes…

Nenne uns bitte ein Buch, welches das Leben unserer Leser verändern wird. Egal ob Roman oder Sachbuch.
Ich könnte jetzt alle möglichen schweren Kaliber von Büchern aufzählen, aber ich entscheide mich bewusst für Durchgeknalltes und Unterhaltsames: Alles von Eugen Egner. An der Art, wie Eugen Egner seine skurrilen, absurden und schrulligen Geschichten erzählt, kann man lernen, dass nichts real sein muss, dass alles fiktiv und nichts Tatsache ist, und dass der Wahnsinn kultivierbar ist. Daraus kann man dann die Inspiration ableiten, dass alles formbar und machbar ist. Und das ist meiner Meinung nach für künstlerisches Arbeiten sehr wichtig.

Welche Frage hätten wir Dir noch stellen müssen? Und was ist die Antwort?
Welche Frage hätten wir Dir noch stellen müssen? Und das ist die Antwort.

Eine Frage habe ich aber dann doch noch: Wie hast Du Dich dazu motiviert Dein Studium abzuschließen, wenn für Dich klar war, das die Fotografie für Dich der einzige Weg in die Zukunft ist?
Böse gesagt: die Kotze kurz vorm Gaumen halten und durchbeissen… Ich habe damals einfach gewusst, dass ich es spätestens fünf Jahre danach bereuen werde, wenn ich alles hinschmeisse, weil ich es überhaupt nicht mag, wenn es in meinem Leben eine unabgeschlossene Sache gibt. Deswegen habe ich geschaut, dass ich alles so schnell wie möglich fertig bekomme. Außerdem war es auch eine Art ‚geschützte Werkstätte‘ für mich, weil ich nebenher ohne Druck fotografieren und üben konnte und mir so auch Zeit blieb, alle weiteren Schritte genau durchzudenken und zu planen. Direkt nach dem Abschluss habe ich dann noch den Zivildienst gemacht, und das war dann so eine Art ‚Pufferzeit‘ zwischen Studium und Fotografie, in der ich mich dann innerlich genau auf das, was kommen sollte, einstellen konnte. Das klingt jetzt alles sehr durchdacht und geplant, damals war es aber doch recht chaotisch und von vielen Einfällen und noch mehr Ausfällen begleitet, bis ich endlich das Selbstverständnis entwickelt habe, dass ich wirklich Fotograf bin.

Vielen Dank für Deine Zeit und viel Glück mit all deinen zukünftigen Projekten.

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